Darf’s auch ein bisschen mehr sein?
Das digitale Typenschild — mehr als nur die Tür zur papierlosen Betriebsanleitung.
Digitalisierung verändert das Produktportfolio
Betrachtet man die Entwicklung im Einzelnen, fällt das Auge zunächst allerdings noch auf einen Haufen bedrucktes Papier, die vielsprachige und schwergewichtige Betriebsanleitung. Doch dieser Haufen schmilzt. Mit der lang geforderten und nun bevorstehenden Regelung von elektronischen Betriebsanleitungen in der Maschinenrichtlinie schafft die EU endlich Rechtssicherheit für ein Angebot der Branche, das in der Realität bereits seit geraumer Zeit zum Alltag gehört. Der Fachverband Armaturen hakt damit seine entsprechende Forderung als erfüllt ab.
Konsequent weitergedacht bietet heute ein digitales Typenschild auf der Armatur nicht nur den Zugang zur Betriebsanleitung, sondern zur kompletten technischen Dokumentation des Produktes. Anstoß für diese Entwicklung bot ein Forschungsvorhaben des Fachverbandes Armaturen, das die einfache Verfügbarkeit von Informationen zur Installation, Nutzung, Wartung oder Reparatur einer Armatur zum Ziel und damit letztlich die gesamte Lebensdauer einer Armatur im Fokus hatte. Als Umsetzungshilfe gilt heute die vom VDMA mitgestaltete DIN SPEC 91406. Nachdem die Implementierung des digitalen Typenschildes in der Armaturenindustrie zwischenzeitlich zunehmend „Follower“ gefunden hat, gilt es nun, die Praxiserfahrungen zu bündeln und für die Branche nutzbar zu machen.
Digitale Zwillinge initiieren Ressourcenschonung und Effizienzgewinn
Durchgesetzt hat sich in der Armaturenindustrie schon früh auch die Erkenntnis, dass für die Produktentwicklung, die Planung und den Betrieb einer Anlage sowie selbst für die Schulung digitale Zwillinge, sprich virtuelle Produktmodelle hilfreich sein und wertvolle Erkenntnisse zu deren Praxisleistung liefern können. Produktfokussierte Strömungssimulation zur Prozessoptimierung stand dabei zunächst im Vordergrund, heute ist der Blick vor allem systemisch ausgerichtet.
Als klare Zielsetzung des Fachverbandes manifestierte sich das erstmals in der Richtlinienreihe VDI 3805 (Produktdatenaustausch in der technischen Gebäudeausrüstung), in welcher der Fachverband mit dem Datenblatt für Heizungsarmaturen die Blaupause für zahlreiche andere Produktdatenblätter der Gebäudetechnik schuf. Die Richtlinie dient heute als Grundlage für eine ISO-Normung im Rahmen von Building Information Modeling (BIM), einer Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Die Arbeit an entsprechenden Datenblättern für Heizungsarmaturen und Trinkwasserarmaturen steht kurz vor dem Abschluss.
Etablierte digitale Spül- und Leckageschutzsysteme werden bei der Gebäudeplanung davon profitieren.
Leckageschutzsysteme
Wasser findet immer einen Weg
DigitalisierungsNetzwerk Armaturen — Format des Fachverbandes Armaturen. Der Austausch anhand von Best-Practice-Beispielen steht im Fokus und initiiert unternehmensübergreifende Impulse.
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Einmal gekauft, ist die Lebensdauer der dort gekauften Produkte sehr überschaubar. Bei Armaturen ist der Anspruch bekanntlich ein anderer. Langlebige Funktionsfähigkeit und Prozesssicherheit sind hier Grundlage der Investitionsentscheidung.
Wichtiges Entwicklungsfeld der Armaturenindustrie ist deshalb schon seit geraumer Zeit die „Eigenintelligenz von Armaturen“, die den Hersteller oder Anlagenbetreiber kontinuierlich über ihren Zustand informiert und gegebenenfalls Maßnahmen zum Funktionserhalt empfiehlt. Sensorik zur Erfassung von Durchfluss, Druck und Temperatur gehört dabei heute je nach Anwendung einfach zum „Must have“.
Was aber, wenn die Sensorik aus Abu Dhabi oder Perth nach Deutschland wider Erwarten eine Fehlfunktion signalisiert oder Wartungsbedarf ankündigt? Geht nun ein Service-Mann auf Reisen?
Digitalisierung verspricht hier eine Alternative zu niedrigeren Kosten bei besserer Anlagenverfügbarkeit und effizienterer Ressourcennutzung. Fernwartung im Zusammenhang mit Smart Maintenance und neuen Technologien wie Augmented Reality gehören hier immer häufiger zum Angebot der Armaturenindustrie, wenn es bei Verkaufsgesprächen heißt „Darf’s auch ein bisschen mehr sein?“.
Dies und mehr sind Themen im DigitalisierungsNetzwerk Armaturen unseres Fachverbandes, das sich als Multiplikator und Katalysator für die digitale Zukunft in der Armaturenindustrie versteht. Hier werden Erfahrungen diskutiert, Kundenakzeptanz bewertet und Szenarien entwickelt.
Stellen Sie sich vor, unser Bundeskanzler will Videocalls mit seinen Nato-Partnern führen. Dafür muss er ins Verteidigungsministerium fahren, da Videotelefonate im Kanzleramt nicht ausreichend gegen Spionage- und Hackerangriffe geschützt sind.
By the way …
Digitalisierung schafft nicht nur Möglichkeiten, sondern auch Risiken. Das ist bekannt, wird allenthalben aber gerne verdrängt. Cyber Security kostet Geld und irgendwer müsste sich ja darum kümmern. Also stellt man es hinten an.
Mit Folgen, wie Unternehmen unserer Branche zuletzt schmerzhaft erfahren mussten.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund steht das Thema „Datensicherheit“ vorne auf der Agenda des VDMA und seines DigitalisierungsNetzwerk Armaturen. Fallanalysen und Beratungsleistungen sollen vorbeugend wirken und damit die Bereitschaft zur Digitalisierung fördern.