Nach dem
Sonnenuntergang
wird es dunkel
Sunset Date — bezeichnet das endgültige Ende von Werkstoffen, Verfahren und Technologien.
Sunset Date: Mal schauen, was danach passiert …
„Weniger ist mehr“ als Leitlinie politischen Handels ist vor allem in den Amtsstuben allenthalben unbekannt, wie sonst auch sollte man seine Daseinsberechtigung begründen.
So findet sich in den technischen Regulierungsvorhaben auch immer häufiger der Begriff des „Sunset Date“. Was eigentlich nach schöner Abendstimmung klingt, heißt aber nichts anderes als das Aus für einen Werkstoff, ein Verfahren oder eine Technik insgesamt.
Vorausgegangen sind in der Regel entsprechende Verbotsvorschläge aus Mitgliedsländern, die ihnen – übrigens mitunter – aufgrund fehlender eigener Industriebetroffenheit auch leichtfallen. Als Begründung dient häufig der Hinweis auf eine vermutete menschliche Gesundheitsgefahr. Es folgen Gutachten und Gegengutachten, Expertenanhörungen, Ausschuss- und Parlamentsdiskussionen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man genaues nicht weiß. Der Schatten der Diskussion hat seine Wirkung aber nicht verfehlt. Ein weiteres „Sunset Date“ droht.
Der VDMA Armaturen begleitet solche Prozesse, dort wo betroffen, verhindert an manchen Stellen das Schlimmste oder wirkt zumindest auf Erleichterungen hin.
Theorie schlägt Praxis
Chromtrioxid (Chrom VI) für die dekorative Glanzverchromung ist so ein Fall. Arbeitsschutzüberlegungen stehen seit mehreren Jahren im Mittelpunkt von EU-Bemühungen, diesen Galvanisierungsprozess zu verbieten. So wurde Chrom VI nicht zuletzt auf Betreiben Deutschlands bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA als gefährlicher Stoff gelistet. Seither tickt die Uhr für die Verwendung von Chromtrioxid in der EU. Das bereits erwähnte „Sunset Date“ war in diesem Fall der 21.09.2017. Seitdem darf diese chemische Substanz – ohne entsprechende Zulassungsgenehmigung – gemäß REACH nicht mehr verwendet oder in Verkehr gebracht werden. Aktueller Sachstand ist, dass der Prozess mit entsprechender Anlagentechnik arbeitsschutzsicher betrieben werden kann, die EU gleichwohl auf der Nutzung alternativer Oberflächenverfahren beharrt. Vorliegende Zulassungsanträge hemmen erfreulicherweise derzeit die Wirksamkeit des Verbotes. Anfang 2023 werden wir vermutlich wissen, ob die Sonne insoweit tatsächlich untergeht.
Dunkel könnte es nach EU-Wunsch demnächst auch für sog. Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) werden. Die EU beabsichtigt, diese Stoffe, die bislang z. B. für Dichtungen und Membrane als unverzichtbarer Bestandteil gelten, ebenfalls zu verbieten. Der VDMA und mit ihm andere betroffene Industrieverbände haben das zum Anlass genommen, den verantwortlichen Stellen in Brüssel und Berlin zunächst die Bedeutung dieser Stoffe zu erläutern, über die Konsequenzen eines entsprechenden Stoffverbots aufzuklären und auf fehlende Substituierungsmöglichkeiten hinzuweisen.
Im ideologischen Fadenkreuz
Bleirohre sorgten vor vielen Jahren für erhebliche Aufregung, weil sie als Quelle zu hoher gesundheitsschädlicher Bleikonzentrationen in der Trinkwasserinstallation identifiziert worden waren. Zurecht und schlimm. Seitdem ist viel passiert. Installationskomponenten unterliegen heute strengsten Grenzwertregeln der WHO, der EU und des Umweltbundesamtes, die eine Gesundheitsgefährdung ausschließen. Ungeachtet dessen ist das Thema Trinkwasser und Blei vielerorts ideologisch so aufgeladen, dass der Werkstoff als zentraler Legierungsbestandteil von Trinkwasserarmaturen zunehmend unter Verbotsdruck gerät. Ginge es nach diversen Interessengruppen – vor allem innerhalb des Europäischen Parlaments – wäre auch dieser Stoff längst komplett verboten. Dass dem (noch?) nicht so ist, liegt unter anderem an der fortwährenden Intervention des VDMA in Brüsseler Konsultationen, dass Materialien in Kontakt mit Trinkwasser über die Europäische Trinkwasserrichtlinie und die deutsche Trinkwasserverordnung hinreichend streng reguliert sind und insoweit Gesundheitsrisiken nicht bestehen, die eine weitergehende Regulierung rechtfertigen würden. Dieser Kampf ist aber noch nicht gewonnen. Zumal verschiedene anderen EU-Stellen, z. B. über die sog. RoHS-Richtlinie (Stoffverbote in Elektro- und Elektronikgeräten) auch eine Bleiregulierung im Auge haben. Man stelle sich nur vor, es käme in dieser Gemengelage zu verschiedenen, konträren EU-Grenzwerten, die vielleicht auch noch mit deutschen Festlegungen kollidieren.
Letzteres wäre zwar kein wirkliches Problem, denn im Verhältnis der EU zu seinen Mitgliedstaaten gilt bekanntlich das Prinzip „Ober sticht Unter“. Aber die deutsche sog. UBA-Positivliste für Metalle müsste weitgehend neu geschrieben werden.
Informationshunger ohne Mehrwert
„Zumindest mal wissen, was in den Produkten drin ist“ ist die Maxime einer weiteren – diesmal die EU-Abfallrahmenrichtlinie bemühende – Bürokratieerfindung der Europäischen Chemieagentur, der sog. SCIP-Datenbank. Hier hat jedes Unternehmen, das Produkte in der EU in den Verkehr bringt, die „besonders besorgniserregende“ Stoffe enthalten, dies entsprechend zu hinterlegen. Obschon gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Meldeverfahren noch Vereinfachungen durchgesetzt werden konnten, gehörte der Themenkomplex, was man konkret wie und möglichst effizient angeben muss, zuletzt zu den besonders gefragten Informationsangeboten des VDMA.
Wer glaubt, der Informationshunger der EU wäre damit gestillt, der irrt gewaltig. Schon jetzt ist der „digitale Produktpass“ am Horizont zu erkennen, der im Rahmen des „Green Deal“ künftig detaillierte Angaben über jedes Erzeugnis enthalten soll. Dabei geht es um weit mehr als „nur“ Inhaltsstoffe. Lebenszyklusanalysen, ökologischer Fußabdruck und Angaben zur Wiederverwertung sollen im Fokus stehen. Auch hier gilt es, das Schlimmste zu verhindern und der EU klarzumachen, dass unsere Unternehmen auch noch andere Dinge zu tun haben, als Datenbanken zu befüllen.
Durch immer mehr Berichtspflichten, die kumulativ zu beachten sind, wird die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet und die verwaltungstechnische Belastbarkeit mittelständischer Betriebe überstrapaziert.
EU macht sich bei Marktüberwachung einen schlanken Fuß
Bei all diesen Regulierungen sollte man annehmen können, dass sich die EU auch Gedanken über deren Einhaltung macht. Stichwort Marktüberwachung. Doch Schwamm drüber. Richtlinien und Verordnungen lassen sich schnell mit ein paar Beamten schreiben, zu deren Überwachung braucht es Heerscharen. Und die gibt’s nicht.
Ein Sunset Date aus Brüssel …
… markiert den letzten Tag und damit das Ende von Werkstoffen, Verfahren und Technologien.
Vorschläge für die Galerie
In Deutschland bahnt sich seit geraumer Zeit ein Ende für fossile Wärmeerzeuger an. Das Tempo, mit dem wir dem entgegen sehen, hat sich durch die von der Ukrainekrise ausgelösten Verwerfungen an den Energiemärkten zwischenzeitlich deutlich erhöht. Und neben der politischen Entscheidung pro Wärmepumpe überschlagen sich Berufene mit immer neuen Vorschlägen zur Krisenbewältigung und Beschleunigung der Energiewende. Populäre Vorschläge wie Temperaturabsenkung in Gebäuden und digitale Heizkörperthermostate geraten in die Öffentlichkeit. Aus Sicht der Heizungsarmaturenindustrie sind das weitere bedauerliche Mosaiksteine einer Vielstimmigkeit im Wettbewerb technischer Lösungen, die nur zu einer noch stärkeren Verunsicherung und Investitionslähmung des Verbrauchers führen sowie darüber hinaus auch industriepolitisch unbedacht sind.
Insofern gilt es nun, bewährte Kernregelungen der früheren Energieeinsparverordnung, des Gebäudeenergiegesetzes und der sie begleitenden Förderprogramme auch in die zu erwartenden Novellierungen zu implementieren. Das bedingt das klare politische Verständnis, dass auch niederschwellige Angebote zur Optimierung vor allem bestehender Heizungsanlagen etwa mit manuellen Thermostaten in Verbindung mit dem hydraulischen Abgleich, einen wichtigen Beitrag zur effizienten Energienutzung leisten können; übrigens ohne dabei elektrische Hilfsenergie zu benötigen.
In welchen Ländern trinken die Deutschen Leitungswasser?
Hohes Vertrauen in heimisches Wasser, Skepsis im Ausland
Quelle: Blue Responsibility
Deutschland rühmt sich für die hohe Qualität seines Trinkwassers. Das kommt nicht von ungefähr. Das nationale Regelwerk ist streng. Rhetorisch geht man mit diesem Umstand allerdings etwas eleganter um als die EU. So führt das verantwortliche Umweltbundesamt (UBA) sog. Positivlisten über Werkstoffe, die in Trinkwasserinstallationen eingesetzt werden dürfen. Im Umkehrschluss heißt das, dass der Einsatz anderer, nicht aufgeführter Werkstoffe verboten ist. Ein mittelbarer Sunset also, nur freundlicher benannt.
Für die Armaturenindustrie von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Positivlisten für Metalle und die für Kunststoffe und andere organische Materialien. Produkte, für die entsprechende Konformitätsnachweise vorliegen, sind damit gut bestellt.
Problematisch wird es, wenn ein Nachweis nicht erbracht werden kann. Erfüllt das Produkt die Anforderungen nicht, selbst schuld. Scheitert der Nachweis aber an fehlenden Kapazitäten bei Prüf- und Zertifizierungseinrichtungen und diese Kapazitätsengpässe beruhen auf zu kurzen Übergangsfristen des Gesetzgebers, dann muss man darüber reden. Und genau das geschieht zwischen VDMA und UBA. Hilfreich ist dabei die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit, die die Hoffnung nährt, dass eine praxisgerechte Lösung gefunden werden kann.
Die heilende Kraft des Sachverstands
Kein Sunset, sondern ein Sunrise erlebte zuletzt die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, kurz TA Luft. 2021 trat sie als novellierte Fassung in Kraft. Vorausgegangen waren auch hier Gespräche mit der zuständigen Behörde, bei denen einige Entschärfungen erreicht werden konnten. Insbesondere Fragen zu Dichtheitsklassen nach ISO 15848 standen dabei zur Diskussion. Die in solchen Vorschriften üblichen Interpretationsspielräume wurden in der Folge von VDMA und VCI in einem gemeinsamen Leitfaden geschlossen.
Was kommt als nächstes? Diese Frage mag an dieser Stelle defätistisch klingen und würde sich nach ein paar Einzelfällen ja auch so nicht stellen. Was aber schon besorgt, ist die Summe der Regulierungen und die Aussicht, dass es noch schlimmer kommt.
Nach dem Sonnenuntergang wird es dunkel. Bleibt zu hoffen, dass die technische Regulierung nicht zu einer Sonnenfinsternis führen wird.